Emma schweigt by Susanne Scholl
Autor:Susanne Scholl [Scholl, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Residenz Verlag
veröffentlicht: 2013-08-30T17:00:00+00:00
Und dann gehen der Hansi und die Luzie nach Hause, doch die Frau und der Bub setzen sich zu ihr. Der Bub holt ein Heft heraus und beginnt, etwas hineinzuschreiben, und die Frau blickt wieder aus dem Fenster und schweigt. Die Frauen in den anderen Betten schauen wieder so komisch, und da fragt Emma endlich, wo sie herkommen und was sie hier machen und wie lange sie schon hier sind.
Schamil schaut von seinem Heft auf und sagt, dass sie aus Tschetschenien seien und schon ein Jahr in Wien lebten. Und dass sie darauf warten zu erfahren, ob sie bleiben dürfen.
Wo das sei, will die Frau im mittleren Bett wissen, dieses Tschetschenien.
»Kaukasus«, sagt die Frau, die Sarema heißt.
»Aha«, sagt Emma, obwohl sie nur eine vage Vorstellung hat, wo das sein könnte.
»Russland«, sagt Sarema, auch in der Hoffnung, damit genug erklärt zu haben.
»Schamil Schule in Wien – sehr gut!«, sagt sie dann auch und zeigt voller Stolz auf den Buben – und hofft, dass die Frauen sie nicht weiter ausfragen.
»In welche Klasse geht er denn?«, fragt die andere Bettnachbarin, und Schamil lächelt schüchtern und sagt, dass er in die zweite Volksschule gehe.
»Sprichst aber schon sehr gut Deutsch, dafür, dass du noch gar nicht so lang da bist«, sagt Emma, um auch etwas zur Konversation beizutragen, und fragt den Buben dann, wie ihm die Schule denn gefalle.
»Schamil gerne Schule«, sagt Sarema energisch, bevor der Bub antworten kann, und schaut ihn irgendwie warnend an.
Es sei gut in der Schule, sagt der Bub. Die Lehrer seien nett und die Kinder auch, aber er sei nicht gut im Rechnen, und Schreiben falle ihm auch nicht so leicht.
»Aber geh«, sagt die Frau im mittleren Bett, »so ein g’scheiter Bub, das wird schon …«
Und Emma nickt. Sonst fällt ihr nichts ein. An dem Nachmittag reden sie nicht mehr viel miteinander, Emma und ihre zwei Zimmerkolleginnen bekommen, wie im Spital üblich, ein ziemlich frühes Abendessen. Die Frau und der Bub stehen auf, verabschieden sich und sagen, dass sie am nächsten Tag wiederkommen. Und dann schauen sich die drei Frauen die Nachmittagssendung im Fernsehen an – und Emma schläft mittendrin ein.
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